Der Ukraine-Krieg: Eine Zwischenbilanz

Tagung über die Entwicklung der Kriegsinteressen und der Medienberichterstattung im Ukraine-Krieg

Ingolstadt, 15. Oktober 2022

Am 15. Oktober 2022 veranstaltete die DFG-VK Bayern zusammen mit dem Helmut-Michael-Vogel-Bildungswerk und attac Würzburg eine Tagung in Nürnberg über die Entwicklung der Kriegsinteressen und der Medienberichterstattung im Ukraine-Krieg.

Zu diesem Anlass haben wir Herrn Peter Wahl, Gründungsmitglied von WEED e.V. und attac Deutschland, und Frau Dr. Sabine Schiffer, Medienwissenschaftlerin und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung, eingeladen. Außerdem gab es ein Referat von Thomas Rödl, Geschäftsführer des HMV-Bildungswerks. Das Folgende sind Videomittschnitte der einzelnen Beiträge.

Teil 1 - Thomas Rödl - Einführung

Herr Rödl begrüßt die ReferentInnen und die Teilnehmenden. In seiner Einführung erläutert er kurz die Haltung der VeranstalterInnen zum Ukraine-Krieg: sie verurteilen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und bedauern die Opfer auf allen Seiten. Die Souveränität der Ukraine ist aus ihrer Sicht am besten mit zivilen, gewaltfreien und politischen Mitteln zu verteidigen.

Herr Rödl erläutert knapp die Hintergründe des Krieges, sowohl in Bezug auf geopolitische Machtverschiebungen als auch auf innerukrainische Konflikte, deutet auf das Eskalationsrisiko hin und skizziert kurz den Umgang deutscher Medien mit dem Krieg.

Teil 2 - Peter Wahl - Die Interessen am Krieg

Herr Wahl analysiert die Interessen der Kriegsparteien vor und während dem Krieg. Seine Analyse beruht dabei auf der Annahme, dass das zentrale Regulationsprinzip in den internationalen Beziehungen die machtpolitischen Kräfteverhältnisse sind (in anderen Worten: es gilt das Recht des Stärkeren).

Laut Herr Wahl kann der Ukraine-Krieg als ein Symptom des machtpolitischen Wandels von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt verstanden werden. Während die USA weiterhin bestreben, die Entstehung eines Hegemons in Eurasien zu unterbinden, sieht Russland sich bedroht und in seiner Machtausübung eingeengt. Deutschland und die EU haben widersprüchliche Interessen, während die Ukraine versucht, sich von Russland abzukoppeln.

Herr Wahl sieht das Element des Stellvertreterkrieges zwischen NATO und Russland in der Ukraine inzwischen als „stärksten Motor des Krieges“.

Teil 3 - Thomas Rödl - Der Krieg und die atomare Abschreckung

Thomas Rödl sprach über die Modernisierung der Atomwaffen vonseiten der NATO (allen voran die USA) und Russland. Die Modernisierung betrifft dabei auf beiden Seiten sowohl Angriffswaffen als auch Verteidigungssysteme. Laut Herr Rödl verfolgen NATO und Russland damit aber unterschiedliche Ziele:

Der NATO geht es bei der Modernisierung um die potentielle Überwindung des mutual assured destruction-Prinzips und somit um die Überwindung atomarer Abschreckung. Russland hingegen ist bestrebt, die Zweitschlagsfähigkeit aufrechtzuerhalten.

Herr Rödl hofft auf eine Rückkehr zum ABM-Vertrag sowie ein Moratorium der derzeitigen Kapazitäten und Verhandlungen zu einem neuen START-Vertrag.

Teil 4 - Dr. Sabine Schiffer - Die Bilder vom Krieg

Frau Dr. Schiffer erläutert, dass die Medienberichterstattung über den Ukraine-Krieg von einem Paradox geprägt ist: während in Berichten über das Kriegsgeschehen oft darauf hingewiesen wird, dass das Berichtete nicht unabhängig verifiziert werden konnte – ein Fortschritt Richtung Transparenz – wird die Öffentlichkeit gleichzeitig mit Bildern aus dem Krieg überschwemmt, die vermeintlich objektive Schlüsse über das Geschehen zulassen.

Weiterhin wird die Berichterstattung von allen Seiten durch strategische Kommunikation beeinflusst, derer man sich als MedienkonsumentIn bewusst sein muss. Stichworte, wie z.B. „regelbasierte Wertordnung“, müssen daher kontextualisiert werden, um die Agenda dahinter zu verstehen.

Frau Dr. Schiffer ermutigt die Teilnehmden, ihre eigenen Schwerpunkte zu setzen und sich nich darauf zu beschränken, defensiv auf provokante Botschaften in den Medien zu reagieren.